

Die Kunst, Verbindungen zu sehen
Stellen Sie sich vor, Sie stehen mitten in einem Spinnennetz. Ziehen Sie an einem Faden, verändert sich das ganze Geflecht. So funktioniert systemisches Arbeiten: Es geht weniger um einzelne Probleme, als um die Wechselwirkungen, die sie hervorbringen.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen kämpft mit hoher Fluktuation. Die Geschäftsführung vermutet schlechte Bezahlung als Ursache. Doch ein genauerer Blick zeigt: Die Gehaltsstruktur ist branchenüblich, die eigentlichen Probleme liegen in Themen ungeklärter Führung und fehlender Wertschätzung. Sobald sich die interne Kommunikation ändert, sinkt auch die Kündigungsrate.
Oder nehmen wir eine Familie: Die Tochter rebelliert, die Eltern sind ratlos. Erst in der Beratung zeigt sich, dass nicht sie das Problem ist, sondern das unausgesprochene Spannungsfeld zwischen den Eltern. Als sich das verändert, verändert sich auch das Verhalten der Tochter – fast wie von selbst.
Systemisches Arbeiten bedeutet, nicht nur auf Symptome zu reagieren, sondern auf Muster. Es fragt nicht: Was läuft schief? Sondern: Wie hängt das alles zusammen?
Von Maschinen und Menschen: Woher kommt der systemische Ansatz?
Lange Zeit dachten wir linear: Ursache – Wirkung. Jemand macht einen Fehler, also muss er besser geschult werden. Ein Unternehmen verliert Marktanteile, also müssen die Preise gesenkt werden. Doch Menschen sind keine Maschinen.
Systemisches Denken wurde maßgeblich von der Kybernetik beeinflusst – einer Wissenschaft, die sich mit Regelkreisen und Rückkopplungseffekten beschäftigt. Ein System kann sich selbst stabilisieren oder verstärken. Das erklärt, warum einige Familien über Generationen hinweg dieselben Konflikte haben oder warum bestimmte Unternehmen immer wieder dieselben Krisen durchlaufen.
Dazu kommt der Konstruktivismus: Jeder sieht die Welt auf seine eigene Weise. Ein Teammitglied, das als „schwierig“ gilt, könnte aus einer anderen Perspektive die einzige Person sein, die auf Missstände hinweist.
Systemisches Arbeiten bedeutet also nicht, die Wahrheit zu finden, sondern verschiedene Perspektiven zu verstehen – und durch sie neue Lösungen zu entdecken.
Wie systemisches Denken den Arbeitsalltag verändert
Wer systemisch denkt, sucht nicht nach Schuldigen, sondern nach Dynamiken. Er fragt nicht: „Wer hat angefangen?“, sondern: „Wie hält sich das Muster am Leben?“
Denn der berühmte Satz von Paul Watzlawick gilt noch immer: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Die Frage ist nur, ob wir es bewusst tun.